Wie steht der Impact Hub Zürich zur Konzernverantwortungsinitiative?

Wie steht der Impact Hub Zürich zur Konzernverantwortungsinitiative? Machen wir es kurz, korrekt, leicht verständlich, und bleiben zu 100% beim Initiativtext zur Anpassung von Artikel 101a der Bundesverfassung:

Ziffer 1: Unternehmen mit Sitz in der Schweiz sollen Menschenrechte und Umweltstandards respektieren. ...hier hat niemand etwas dagegen.

Ziffer 2 a: Unternehmen mit Sitz in der Schweiz sollen dafür sorgen, dass auch ihre Tochterunternehmen, sowie Unternehmen, die sie wirtschaftlich kontrollieren, sich an Menschenrechte und Umweltstandards halten. - Eigentlich auch ziemlich klar. Kritiker der Initiative sagen allerdings, dass dies schwierig in der Umsetzung sei. Ich denke, es kommt auf den Willen an. Straffe Ziele für Produktions- und Lieferziele, Effizienz-KPIs, weltweite Einkauf Standards, etc. werden ja auch vom Headquarter aus durchgesetzt. Warum nicht auch Menschenrechte und Umweltstandards? ...also auch noch klar.

Ziffer 2 b: Unternehmen sollen Risiken für Menschenrechte und Umweltstandards in den von ihnen kontrollierten Unternehmen und ihren Geschäftsbeziehungen prüfen, wo möglich die Praxis anpassen, wo nötig beenden und darüber Rechenschaft ablegen. ...auch das klingt nach einem klaren Fall, oder? Zu aufwändig? Unrealistisch in der Praxis? Na ja, Unternehmen prüfen doch auch sehr genau den Preis und die Qualität der Produkte und Dienstleistungen, die ihnen geliefert werden. Da gehört es zur Selbstverständlichkeit, dass sie auch die Einhaltung der Menschenrechte und Umweltstandards prüfen sollten. Werden diese nicht eingehalten, sollte es auch eine Selbstverständlichkeit sein, dass diese Produkte oder Dienstleistungen nicht bezogen werden. Also ja, ebenfalls ein klarer Fall.

Ziffer 2 c: Unternehmen haften für die Schäden, die von Unternehmen verursacht werden, die sie kontrollieren. ...wer kann sich ernsthaft gegen diese Ziffer aussprechen? Wenn ich ein Unternehmen kontrolliere, dann muss ich auch dafür gerade stehen, wenn dieses Unternehmen sich nicht korrekt verhält; also bspw. die (international vereinbarten) Menschenrechte und Umweltstandards verletzt. Wer denn sonst?

 

Das war's schon. Ihr ahnt es. Der Impact Hub Zürich unterstützt die KVI. Es bleibt uns bei den oben genannten Ausführungen auch gar nichts anderes übrig. Wir setzen uns für eine nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft ein. Der Schutz der Menschenrechte und Umweltstandards, ob im Zürcher Kreis 5 oder in den Rohstoffminen dieser Welt, gehört eben dazu.

 

Die 2 Minuten Lesezeit sind vorbei. 

 

Wer weiterlesen möchte - ich habe mich natürlich auch intensiv mit den Gegenargumenten auseinander gesetzt:

 

Hier wieder so konkret und nah am Text wie möglich:

 

  1. Richtiges Ziel - falscher Weg: 

Den anderen Staaten würde signalisiert, dass die Schweiz es halt einfach besser wisse.

Wenn dem so wäre, wäre dies natürlich nicht gut. Aber in der Abwägung zwischen eingehaltenen Menschenrechten und Umweltstandards einerseits und der theoretischen Gefahr eines "arroganten Signals" würde ich mich für letzteres entscheiden. Wenn internationale Menschenrechte und Umweltstandards in Ländern nicht eingehalten werden, dies in der Schweiz aber prozessiert wird, ja, dann weiss es die Schweiz halt auch einfach besser. Das könnte daran liegen, dass in der Schweiz, im Gegensatz zu wohl (fast) allen betroffenen Ländern das Volk über eine solche Initiative wie die KVI entscheiden darf, und anderswo eben nicht.

Die KVI gefährde das Engagement unserer Unternehmen in Entwicklungsländern, weil die Nachweispflicht untragbar sei

Meine erste Reaktion: Wenn das Engagement die Verletzung von Menschenrechten und Umweltstandards einschliesst, dann ist es auch gut so, dass dieses Engagement beendet wird. Aber ganz so simpel ist es auch nicht. Denn häufig führt das Engagement zu positiver Entwicklung (...vermutlich leider seltener als gemeinhin vermutet oder behauptet, aber immerhin). Und Nachweise über sauberes Arbeiten in Tochterunternehmen in Entwicklungsländer sind kein einfaches Unterfangen. Ich habe selbst im ländlichen Ostafrika und Kolumbien geforscht und mich mit vielen Kolleginnen im internationalen Impact Hub Netzwerk, ob Impact Hub Caracas oder Harare, Accra oder Phnom Penh, unterhalten. Nur wie schon oben erwähnt: Tochterunternehmen werden intern bzgl. wirtschaftlichen Kriterien (Umsatz, Kosten, Personal, Effizienz, etc.) auch straff kontrolliert. Würden Menschenrechte und Umweltstandards gleich gewichtet, so würde es den "Aufschrei" über den Aufwand gar nicht geben.

Ein weiteres Argument der Kritikerinnen ist, dass sich Schweizer Unternehmen dann aus Entwicklungsländern zurück ziehen werden. Really? Das möchte ich sehen. Ich bin gespannt, wo im Appenzell oder der Eifel dann Kobalt, Gold und Zement abgebaut wird.

 

  1. Behindert Entwicklung und Fortschritt:

Hier findet sich streng genommen gar kein Argument.

Schweizer Unternehmen geniessen einen sehr guten Ruf im Ausland. Das glaube ich gern und das freut mich.

Die Wirtschaft schafft Wohlstand. Stimmt auch (...mit zum Teil katastrophalen Folgen, aber unterm Strich stimmt's).

Kleine Unternehmen seien nicht in der Lage oder willens Schweizer Standards umzusetzen. Das stimmt meines Wissens auch. Der KVI geht es aber nicht um Schweizer Menschenrechte und Umweltstandards, sondern um die internationalen. Und ein kleines Unternehmen, welches solch grundlegende Rechte nicht respektiert, hat weder auf dem Weltmarkt etwas verloren, noch sollten davon Aktionärinnen von Schweizer Unternehmen profitieren. Wie oben schon geschrieben: Liebe Konzerne, nehmt einen minimalen Bruchteil eures Umsatzes und helft diesen kleinen Unternehmen dabei, international vereinbarte Rechte und Standards umzusetzen. Dann gibt's auch mit KVI keine Verurteilung.

Die entscheidende Frage ist sei nun: Nützt es etwas, wenn sich Schweizer Unternehmen aus ganzen Weltregionen zurückziehen oder Lieferantenbeziehungen abbrechen?

Falsch. Die entscheidenden zwei Fragen lauten: 1) Würden sich Schweizer aus Weltregionen zurückziehen? - Nö (s.o.). 2) Sollten Schweizer Unternehmen Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen unterhalten, die internationale (nicht Schweizer, Kolumbianische oder Kambodschanische) Menschenrechte und Umweltstandards missachten? - Ebenfalls nein.

 

  1. Kein Schweizer Alleingang: 

Schweizer Unternehmen möchten gegenüber ausländischen Firmen nicht benachteiligt werden - es brauche gleich lange Spiesse in der Wirtschaft

"Gleich lange Spiesse"? Nochmal: Really?? Und wo sind die gleich langen Spiessen bei der Besteuerung von Unternehmen? Das bekommen wir ja nicht einmal interkantonal hin.

Statt "Schweizer Sonderweg" könnte man auch formulieren: Die Schweiz geht voran und verpflichtet diejenigen Unternehmen zur Verantwortung gegenüber internationaler Standards, die in ihrer eigenen Jurisdiktion von attraktiven Steuersätzen, top Talenten und exzellenten Rahmenbedingungen profitieren. In einer globalisierten Welt, in der nationale Regierungen sich internationalen Konzernen gegenüber sehen, ist dies so lange der beste Weg, wie nicht alle Länder weltweit internationale Standards gleichermassen durchsetzen.

Unternehmen könnten nicht beweisen, dass Vorsichtsmassnahmen getroffen wurden

Wie bereits oben geschrieben: Die Kontrolle der Lieferketten bzgl. Preis und Qualität der gelieferten Produkte und Dienstleistungen klappt relativ gut. Da geht's halt auch ums Geld. Bei Menschenrechten und Umweltstandards sei dies praktisch unmöglich? Dann, liebe Kritikerinnen, seid bitte ehrlich und argumentiert, dass Profitabilität wichtiger ist als die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards, und daher Ersteres kontrollierbar ist, und Letzteres eben nicht.

 

  1. Keine Experimente mit Schweizer Unternehmen

Begriffe wie «angemessene Sorgfaltsprüfung» und «Rücksicht» auf KMU seien schwammige Begriffe und daher riskant und unverantwortlich

Ai ai ai... als der Bundesrat unterstützt durch die Schweizer Wirtschaft sinnvoller- und glücklicherweise die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative interpretiert und umgesetzt hat, kam es ja am Ende auch weniger schädlich für die Wirtschaft, als es die Initianten in Kauf genommen hatten. Eine wohl abgewogenen Interpretation von "angemessener Sorgfaltsprüfung" und "Rücksicht auf KMU" ist wirklich nicht so schwierig. Im Zweifel helfen wir gern dabei.

"Wirtschaftliche Macht" sei ein Novum im Schweizer Rechtssystem

Als Nicht-Jurist glaube ich dieser Ausführung. Nach meinem Verständnis führt dies zu genau dem Interpretationsbedarf, den ich vorgängig erwähnt habe. Mir wurde von den KVI-Initianten folgendes Beispiel dazu genannt: Konzern X stösst seine Tochterfirmen Y in Land Z ab, um dann keine Verantwortung mehr übernehmen zu müssen, lässt sich aber vertraglich ein exklusives Bezugsrecht aller Produkte und Dienstleistungen dieser Firma Y zusichern - sprich "Kontrolle durch wirtschaftliche Machtausübung (nicht durch Aktieneigentum)". Die Kritik ist dennoch nicht ganz ungerechtfertigt: Eine bessere Definition von "Machtausübung" wird für die Umsetzung der KVI in der Zukunft wichtig sein.

Es sei nicht klar, welche internationalen Standards gemeint seien und die könnten sich ja auch ändern

Ja, Standards können sich ändern. Es wäre auch tragisch, wenn nicht. Dass dies ein Grund sei, warum wir uns nicht an sie halten sollten, kann ich nicht nachvollziehen. Und dass es im Initiativtext noch offen ist, welche internationalen Umweltstandards gemeint sind, bietet doch eher noch Spielraum für etwas Rosinenpicken für Wirtschaft und Politik.

 

  1. Kein Weltpolizist, keine Amerikanisierung

Jedes Land solle die Vorfälle auf seinem Staatsgebiet selbst beurteilen 

...aber weltweit tätige Konzerne sollen sich die jeweils für sie am besten (sprich häufig: "wenigsten regulierten") Bezugsländer für Rohstoffe und Lieferketten aussuchen? Wir haben die Vorfälle in den Silberminen vom bolivianischen Potosi mit eigenen Augen gesehen. Das kann nicht der ernsthafte Wunsch eines Aktionärs, Mitarbeiters oder Kunden eines Schweizer (oder sonstwo ansässigen) Unternehmens sein. Wir sind doch so stolz darauf "Innovationsweltmeister" zu sein. Warum sollte es uns stören, auch Menschenrechtsweltmeister oder Umweltweltmeister zu sein. Ja, die KVI scheint teilweise ein Novum, sprich eine Innovation, in internationales Recht zu bringen. Deren Logik erscheint mir, wie oben schon geschrieben, in einer Welt nationaler Regierungen und internationaler Konzerne auch dringend nötig.

Die Schweiz würde zum Eldorado für skrupellose Anwälte.

...oder bleibt ein Eldorado für skrupellose Procurement Praktiken (- wie leider viele andere Länder auch).

Die Schweiz tue gut daran, sich nicht als Weltpolizei aufzuspielen

Da gebe ich den Kritikerinnen recht. Der Zusammenhang mit der KVI scheint mir allerdings nur sehr "schwammig" und das "Argument" klingt eher wie etwas Populismus im Kleide einer Argumentation ("Wir werden auf der ganzen Welt geschätzt für unsere guten Dienste, unser offenes Ohr und unsere Dialogbereitschaft, nicht für den Export unseres Rechtssystems." ...ich habe im KVI Initiativtext kein einziges Mal etwas von Export des Rechtssystems oder Verpflichtung anderer Staaten bzgl. der Übernahme Schweizer Rechts gelesen.)

 

  1. Leere Versprechen

Die KVI würde alle Unternehmen, auch KMU, betreffen

Ich zitiere aus dem Initiativtext Art. 101a Ziffer 2 b: "bei der Regelung der Sorgfaltsprüfungspflicht nimmt der Gesetzgeber Rücksicht auf die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen, die geringe derartige Risiken aufweisen."

Lieferketten können unmöglich komplett kontrolliert werden. 

Das stimmt. Davon steht aber auch, selbst nach mehrmaligem Durchlesen, nichts in dem KVI Initiativtext.

Bei einem allfälligen Prozess müssten Unternehmen beweisen, dass sie auf der anderen Seite der Welt nichts unterlassen haben, um das Fehlverhalten Dritter zu vermeiden (= Entlastungsbeweis).

Hier kommt meine juristische Kompetenz an seine Grenzen. Wenn ich es richtig verstehe, müssten Schweizer Gerichte entscheiden, ob die Aktivitäten, die ein Schweizer Unternehmen im Ausland umgesetzt hat, ihrer Sorgfaltspflicht entsprechen. Darin sehe ich erst einmal kein Problem für die Schweizer Unternehmen (ausser, dass es einen Effort, aka Geld, benötigt). Die Gerichte bräuchten in der Tat entweder Rechtshilfe, oder sie stehen mit den "Beweisen" da, welche die Kläger (gemäss KVI Kritikerinnen wohl primär NGOs und raffgierige Anwälte nach amerikanischen Vorbild *Populismus wieder aus*) und die Angeklagten (also Konzerne) vor dem Schweizer Gericht hervorbringen. Klingt doch auch noch ganz vernünftig (und unter Zurkenntnisnahme der Kapitalisierung von NGOs gegenüber Konzernen ja auch noch lange keine klare Sache, dass Konzerne im Ergebnis ungerechtfertigter Weise verurteilt würden).

 

  1. Zerstört / gefährdet sinnvolle Kooperation mit NGOs

Da war ich im ersten Augenblick etwas baff. Warum sind denn so viele NGOs für die KVI, wenn es die Zusammenarbeit gefährdet? Oder warum werden die NGOs als brutale Kläger dargestellt (s.o.), wenn im nächsten Absatz ihre sinnvolle Kooperation als Argument gegen die KVI aufgeführt wird?

In der Erläuterung dieses Arguments habe ich denn auch gar kein Argument mehr gefunden. - nur wieder einmal polarisierende Statements in bester Populismus Manier: "Gefangen in einer konfrontativen Grundhaltung, fordern die Initianten der Unternehmens-Verantwortungs-Initiative (UVI) Verrechtlichung statt Dialog." What? ...liebe Leute: Haltet internationale Menschenrechte und Umweltstandards ein, sorgt dafür, dass alle eure Tochterunternehmen dies auch tun und macht eine sorgfältige Prüfung bei all euren Geschäftsbeziehungen, bei denen ihr euch nicht sicher seid, dass Menschenrechte und Umweltstandards eingehalten werden. Dann steht der Kooperation mit NGOs wohl auch nichts im Wege.

 

Wir ihr seht, hat sich die Idee, den Newsletter Editorial des Impact Hubs zur KVI zu schreiben, etwas "verselbständigt". Die KVI ist sicher kein "Kinderspiel" und es gibt viele Partner, Mitglieder und Beteiligte des Impact Hubs, die sich gegen die Initiative aussprechen. Einige, die ich sehr schätze, sind mir bekannt. Wir haben die KVI in der Geschäftsleitung und im Kommunikationsteam besprochen und ich habe mich so gewissenhaft wie möglich mit dem Text, den Argumenten und Gegenargumenten auseinander gesetzt, wie ich konnte. Die KVI steht für die Übernahme von Verantwortung für Mensch und Umwelt in wirtschaftlichen Aktivitäten. Dafür steht auch der Impact Hub Zürich. Wer das anders sieht, ist herzlich zum Dialog bei uns im Auer & Co., Kraftwerk Cafe oder aktuell besser über Zoom eingeladen.

 

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