“Startups müssen ihre Themen auf die politische Agenda setzen”

“Ich hatte ja keine Ahnung, dass es sowas wie den Impact Hub überhaupt gibt!”. Jean-Philippe Pinto, CVP-Kantonsrat aus Volketswil, sieht sich fasziniert um. “Da politisiert man jahrelang in Zürich und weiss nichts von diesem lebendigen Ort”. Es ist ein Montagabend im November. Gut 30 Politiker aus dem Zürcher Gemeinde- und Kantonsparlament haben sich im Impact Hub Zürich versammelt. Pinto ist einer davon. Viele seiner Ratskolleginnen und -kollegen sind mit der Startup- und Gründerthematik bisher wenig vertraut. Dies zu ändern, das ist das Ziel an jenem nebligen Herbstabend im Impact Hub Zürich. Ein gegenseitiges Beschnuppern steht an, eine Annäherung zweier Welten. Mehrere Startup-Gründer sind zugegen, um den Zürcher Polit-Persönlichkeiten einen Einblick zu geben. Sie erzählen von ihrem Unternehmen - und den Hürden, die es damit in der Schweiz zu überwinden galt.

 

Das Tal des Todes

Ganz am Anfang sind sie noch weitgehend harmlos, die Hürden: “Die Gründung eines Startups ist in der Schweiz relativ leicht und die Einstiegshürden sind niedrig”. Das sagt Roman Gaus, dessen Unternehmen UrbanFarmers sich auf die Gemüse- und Fischproduktion mitten in der Stadt spezialisiert hat. Doch so einfach die Gründung, desto schwieriger das Wachstum. Während sich für den Start eines Unternehmens meist Gelder finden, wird die Investorensuche in einer späteren Phase zum Problem. Wenn es darum geht, Produkte im grossen Stil auf den Markt zu bringen, sind die Finanzen plötzlich knapp. Viele institutionelle Anleger scheuen das Risiko und sind mit umfangreichen Investitionen in junge Unternehmen vorsichtig. Es kommt zum Investorenknick - manche sprechen gar vom “Tal des Todes”. Was wiederum dazu führt, dass viele in der Schweiz gegründeten Startups ihr Glück im Ausland suchen. “In der Schweiz hat niemand den Anspruch, es `global` zu schaffen”, kritisiert Gaus. “Offenbar wird es akzeptiert, dass ein Startup nach einigen Jahren pleite geht, ins Ausland abwandert - oder von einem Schweizer Grosskonzern für ein Butterbrot aufgekauft wird”.

 

Für den Schweizer Wirtschaftsstandort ist dies laut dem UrbanFarmers-Gründer langfristig keine befriedigende Lösung. Auch Christian Viatte, Gründer der Crowd-Services-Plattform Mila, sieht klares Verbesserungspotenzial in der Schweiz. “Die bestehenden Regulierungen sind ein grosses Hindernis”, sagt Viatte. Gerade im Bereich Sharing Economy, in dem er tätig ist, sei der Grat zwischen Legalität und Illegalität schmal. Diese “veralteten” Regulierungen müssen gemäss Viatte abgebaut oder überarbeitet werden.

 

Vernetzen und Kräfte bündeln

Solche und weitere Barrieren für Startups in der Schweiz werden den versammelten Politikern im obersten Stock des Colab vor Augen geführt. Die Ohren sind gespitzt, das Interesse vorhanden. “Die Aufmerksamkeit für die Startup-Thematik in der Politik ist geweckt”, sagt Judith Bellaiche. Die grünliberale Kantonsrätin und Gemeindepolitikerin hatte den Anlass ins Leben gerufen mit dem Ziel, ein gegenseitiges Verständnis zwischen der Zürcher Politik und den Startups zu generieren. Es gilt, Grenzen zu überwinden und eine konstruktive Zusammenarbeit zu ermöglichen. Ein erster Schritt dazu scheint gelungen, die ersten Bande geknüpft. Aber: “Die Startups müssen sich bewusst sein, dass sie Aufklärungsarbeit machen müssen”, sagt Judith Bellaiche. Es reiche nicht aus, mit den Umständen unzufrieden zu sein und sich darüber zu ärgern. “Ihr müsst eure Wünsche und Bedürfnisse formulieren und euch Gehör verschaffen! Organisiert euch, bündelt eure Kräfte, werdet aktiv!” Es sei wichtig, sich innerhalb der Startup-Community, aber auch im politischen Betrieb zu vernetzen. “Die Startups müssen ihre Themen aufs politische Parkett bringen”.

 

Räume für fruchtbare Ideen

Eines dieser Themen wäre etwa die Raumproblematik. Gründer brauchen Räume für ihr Unternehmen, und zwar so günstig wie möglich. “In der Stadt Zürich stehen derart viele Gebäude zumindest zwischenzeitlich leer - nehmen wir zum Beispiel das besetzte Koch-Areal. Dieses könnte für so viel Fruchtbares genutzt werden!”, sagt Bellaiche. Auch Startups könnten sich in solchen Räumen einnisten, wenn sie ihnen denn zur Verfügung stünden. “Warum kommt ihr nicht auf die Politik zu? Fordert uns auf, uns für mehr Zwischennutzungen stark zu machen!”

Der Appell von Seiten der Politik ist klar: Jungunternehmer und Gründer sollen sich organisieren und verstärkt für ihre Bedürfnisse einsetzen. Sie sollen feststellen und formulieren, was an der heutigen Situation nicht optimal ist. Und was es braucht, um diese zu verbessern. Ein Schritt in diese Richtung ist bereits geschehen - auf höchster Ebene. Wirtschaftsminister Johann-Schneider Ammann hat in diesen Tagen Post erhalten vom Impact Hub Zürich und digitalswitzerland. Im Brief werden konkrete Verbesserungen gefordert - zum Beispiel bei den Regeln zur Rekrutierung von Fachkräften, der Besteuerung von Startups und der Kapitalbeschaffung. Bundesrat Schneider-Ammann hat übrigens offiziell um diese Vorschläge gebeten. Der Wille für Veränderungen in Richtung einer kooperativen und innovativen Zukunft (vgl. dazu das Co-Manifesto des Impact Hub Zürich) scheint da zu sein. Ob Taten folgen, wird sich zeigen.

 

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