Inspire925 | Vom Klassenzimmer ins Chef-Büro

Impact Hub Zurich provides workspace and a network for social entrepreneurs, such as Sunnie Tölle. Sunnie recently launched the Inspire925 corporation, aiming to increase the engagement of employees. 

By Beat Grossrieder (NZZ)

Sunnie Tölle strahlt. Die junge Ökonomin schwebt, ein Glas Aperol Spritz in der Hand, durch die Räume des Hub Zürich, wo an diesem Abend ein Sommerfest steigt. Die Stimmung ist locker, es riecht nach Barbecue und Bier. Der Hub ist Arbeitsort und Netzwerk für nachhaltige Jungfirmen, die sich hier einmieten und von vielfältigen Unterstützungen profitieren. Seit kurzem gehört Sunnie auch dazu: Am 10. Juli ist ihre Firma Inspire925 GmbH mit dem Eintrag ins Handelsregister offiziell ins Geschäftsleben gestartet. «Es fühlt sich sehr gut an, ich bin stolz», lächelt Sunnie. Seither arbeitet sie «zu 120 Prozent» für ihre Firma, welche Programme zur Steigerung des Mitarbeiterengagements durchführt.

Jedes Jahr wagten in der Schweiz rund 20 000 Personen den Schritt in die Selbständigkeit, informiert das Institut für Jungunternehmen (IFJ) mit Hauptsitz in St. Gallen. Zwar weise das Handelsregister jährlich gegen 40 000 Neugründungen aus, doch seien davon «nur etwa die Hälfte» neue, operativ tätige Firmen, sagt Beat Schillig, Gründer des IFJ. Die übrigen seien Tochter- oder Briefkastenfirmen vorab in Grenzregionen und Steueroasen. Ein Grossteil der Neugründungen entfiele auf «Me-too-Startups» – Firmen ohne besondere Innovation, «zum Beispiel wenn jemand ein neues Nailstudio oder ein Treuhandbüro eröffnet». Innovative Startups im engeren Sinn beträfen bloss 2 bis 5 Prozent aller Neugründungen; diese gingen nicht selten aus einer Universität oder Hochschule hervor. Beispielsweise produziere die ETH Zürich pro Jahr an die 25 Spin-offs, die zum Teil auf Projekte von Studierenden zurückgingen.

Auch die Universitäten seien Brutkästen für Jungfirmen, meint Simon May von der IFJ-Geschäftsleitung. So weise die Plattform «startup.ch» derzeit 135 Firmengründungen von Schweizer Universitäten aus. Insgesamt attestiert May dem Werkplatz Schweiz eine hohe Innovationskraft, was vermehrt Akademiker in die berufliche Selbständigkeit führe. Die Förderlandschaft habe sich in den letzten Jahren «massiv entwickelt», vorab dank Initiativen aus der Wirtschaft; staatlichen Finanzspritzen gegenüber ist May eher skeptisch eingestellt. In Deutschland etwa leiste der Staat grosse Anschubhilfe, doch die vielen Ich-AG seien oft weder effizient noch langlebig. Anders in der Schweiz, wo sich der Staat zurückhalte und die Leute selbst Geld und Zeit in die Hand nehmen müssten. Unter dem Strich sei dies der richtige Weg: «Die Schweiz erzielt einen so hohen Impact, dass sie europaweit an der Spitze liegt.»

Sunnie hat neben dem vielen Herzblut ebenfalls Geld in ihr Startup gesteckt. Die 20 000 Franken Firmenkapital haben sie und zwei Co-Gründer investiert, seither sind zwei Mitarbeitende hinzugekommen. Das umtriebige Geschäftsleben liege ihr sehr, sagt Sunnie, sie knüpfe gern Kontakte und überzeuge Menschen von ihrer Idee. «Life is short. Ich will gut überlegen, was ich im Leben anfangen will.» Zuerst einen geregelten Job anzunehmen und Geld zu sparen, um später eine Firma zu gründen – solches sei nie eine Option gewesen: «Ich bin jung und kann jetzt meine ganze Energie ins Unternehmen stecken. Das ist wie ein Flugzeug, das nur dann in die Luft geht, wenn man vollen Schub gibt.» Einen guten Teil ihres Tatendrangs hat die Zürcherin mit amerikanisch-deutschen Eltern aus den USA. Sie studierte Wirtschaft an der Yale-Universität und lernte dort den amerikanischen Startup-Spirit kennen: «You can achieve it if you really want.»

Doch weder in den USA noch hierzulande sind Tellerwäscherkarrieren garantiert. In der Schweiz bewerten zwei Drittel der Startups den Geschäftsgang auch im zweiten Jahr als «eher schlecht» oder «sehr schlecht»; die Hälfte aller Neufirmen geht fünf Jahre nach der Gründung bereits wieder unter. Betrachte man nur die innovativen Jungfirmen, differenziert Beat Schillig, sähen die Erfolgsquoten besser aus; deren Überlebenschancen lägen bei rund 80 Prozent. Einen zentralen Grund dafür macht Schillig bei der Vorbereitung aus, die bereits vor Studienabschluss einsetzen müsse, beispielsweise dank dem Trainingsprogramm Venturelab. Weil eine solche Vorbereitung aufwendig ist, werden in der Schweiz relativ wenig Uni-Abgänger beruflich selbständig. Eine kürzlich veröffentlichte Auswertung der Absolventenbefragung des Bundesamts für Statistik (BfS) zeigt, dass fünf Jahre nach dem Abschluss nur 3,7 Prozent ein eigenes Geschäft haben. Diese Zahl variiert jedoch stark nach Studiengang: Bei den Naturwissenschaftern wagt nur 1 Prozent den Schritt in die Selbständigkeit, während es bei den Doktorierten der Medizin und den Ökonomen um die 10 Prozent sind.

Auch Sunnie Tölle hat sich früh schon mit einer möglichen Selbständigkeit befasst. Die Zürcherin nutzte die vier Jahre in Yale intensiv, «um viele Anregungen zu sammeln». In Übersee reifte auch die Idee heran, eine eigene Firma zu gründen. Kontakte zu Experten gaben ihr ebenso Auftrieb wie Praktika bei Finanzdienstleistern und Consultingbüros. Doch entscheidend war für Sunnie der Einstieg beim Hub Zürich, wo sie 2010 einen Stage absolvierte. «Als ich hier anfing, gab es null Struktur, ich musste fast alles selber erarbeiten und umsetzen. Dabei habe ich sehr viel gelernt, vor allem über mich selbst.»

Auch die Universität Zürich unterstützt ihre Absolventen beim Weg in die Selbständigkeit. Sie unterhält einen Career-Service und ergänzte diesen vorletztes Jahr mit einer Fachstelle für Startups. In der Karriereberatung würde man den Studierenden hauptsächlich drei Karrierewege aufzeigen, sagt Roger Gfrörer, Leiter der Career-Services: eine Anstellung suchen, in der Wissenschaft verbleiben oder sich selbständig machen. Aber: «Den Schritt in die Selbständigkeit stellen wir als eine echte Alternative zur Diskussion und nicht einfach als ein Thema, das man auch noch kurz abhaken muss.» Vom Sprung in den eigenen Chefsessel schreckten viele zurück, weil sie das Gefühl hätten, dann für alles von A bis Z verantwortlich zu sein. Produkt entwickeln, Investoren auftreiben, Marketing und Buchhaltung bewältigen; ein solches Multitasking sei weder zu schaffen noch sinnvoll. «Wer sich selbständig macht, braucht in erster Linie eine gute Idee. Vieles andere kann man delegieren», so Gfrörer.

Umgekehrt ist aber auch der Einstieg ins Angestelltenleben nicht immer simpel, wie die jüngst publizierte Analyse «Von der Hochschule ins Berufsleben» des BfS zeigt: Wer an der Uni mit einem Master abschliesst, weist «mit 12,8 Prozent die höchste Praktikumsquote auf». Zudem sind befristete Verträge an der Tagesordnung: «2011 war in etwa die Hälfte der Masterabsolvent/-innen und Doktorierten des Abschlussjahres 2010 befristet angestellt», bilanziert das BfS.

«Zugespitzt könnte man sagen, dass der Schritt in die Anstellung das grössere Risiko darstellt als der Weg in die Selbständigkeit», sagt Alan Frei, Leiter der Startup-Stelle an der Uni Zürich. Von der Idee der Lebensstelle, die bis zur Pensionierung einen sicheren Hafen biete, müsse man sich verabschieden. Eher sollte man «in Phasen denken», also Aus- und Weiterbildungen sowie Anstellungen und freies Schaffen kombinieren. Insgesamt stellt Frei einen Trend fest, «sich sofort nach dem Uni-Abschluss selbständig zu machen». Denn es könne sogar von Vorteil sein, wenn Startuppers in den ersten Jahren finanziell nicht auf Rosen gebettet seien: «Geld macht träge. Echte Innovationen entstehen oft aus einer gewissen Not heraus. Multis wie Google kaufen ihre Ideen heute oft von aussen ein, weil ihre Strukturen das innovative Moment stark erschweren.»

Sunnie Tölle verteilt zum Abschied ihre druckfrische Visitenkarte. Unter ihrem Namen steht «Founder, CEO», dazu gibt es Web- und Skype-Adresse. Als Nächstes will die Jungunternehmerin ihr Produkt noch verfeinern und weitere Kunden gewinnen. Und falls ihr Geschäft doch nicht zum Blühen kommt? «Scheitern ist keine Option», sagt Sunnie resolut – Stress, Depressionen, Burnouts und fehlendes Mitarbeiterengagement kosteten die Schweiz «jährlich rund 7,8 Milliarden Franken». Daraus zieht Sunnie den Schluss: «Wirtschaft und Gesellschaft brauchen hierfür dringend eine nachhaltige Lösung.»

Quelle/Source: NZZ

 

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