Feel Good Management – Zukunftsmodell oder Symptombekämpfung?

Für diesen Job sind Roboter dem Menschen (noch) keine Konkurrenz: Feel Good Management kommt in Zeiten der Digitalisierung auf die Liste der Jobs mit Zukunft. Es geht um das Wohlbefinden der Mitarbeitenden – Empathie und Fingerspitzengefühl sind hierfür unabdingbar. Und solange in vielen Unternehmen noch immer Erfolgsdruck und Burnout am Drücker von Gas und Bremse sind, verdienen mögliche Lösungsansätze Aufmerksamkeit. Doch spielt Feel Good Management tatsächlich Zukunftsmusik oder ist es simple Symptombekämpfung, wo ein System versagt?

Meine Interview-Partnerin Carmen Fries wartet gut gelaunt auf der anderen Seite des Skype-Kanals. Sie ist Geschäftsführerin von feelgood@office und kennt sich in der Szene bestens aus. Als erste digitale Feel Good Managerin hat sie die grösste Online- und Offline-Community, Academy und Jobbörse für Feel Good Manager in D-A-CH aufgebaut.

 

Als ich das Wort “Startup-Oma” erwähne, zuckt es leicht in Carmen’s Gesicht.

“Früher war ich am Boden zerstört, wenn ich solche Medienberichte gelesen habe”. In entsprechenden Jobanzeigen werden Menschen mit Lebenserfahrung gesucht, die beispielsweise in Unternehmen für Stressreduktion sorgen, Geburtstags- oder Abschiedsgeschenke organisieren und für ein Wohlfühlklima im Büro sorgen. Dieses Jobprofil zieht vor allem Frauen an, die sich im letzten Teil ihrer Berufslaufbahn befinden. Die sogenannten Startup-Omas sind eine Realität, keine Beleidigung und Carmen erklärt auf diese Bemerkung hin auch gleich ihre vehemente Reaktion: “Den Leuten ist nicht klar, was Feel Good Management wirklich ist. Ich kenne ein junges Startup, wo die Jungs in der Küche ihre offenen Cornflakes-Packungen rumliegen lassen, worauf die Startup-Oma dann zwar für Ordnung sorgt, den jungen Männer aber auch mal ihr erzieherisches Flair zeigt. Das ist durchaus in Ordnung, solange fair bezahlt wird und es für beide Seiten stimmt. Aber das hat nicht viel mit der Art von Feel Good Management zu tun, von der ich spreche.”

Ich beginne zu verstehen, ein Vorurteil muss trotzdem noch auf den Tisch:

 

Feel Good Management ist was für Startup-Unternehmen, die besonders hip sein wollen.

Carmen nimmt die Herausforderung lachend an und kontert mit einem Satz: “Feel Good Management ist für alle innovativen Unternehmen, die Mitarbeiter haben wollen, die auch in der Digitalisierung noch für sie arbeiten wollen und für Mitarbeiter, die das Add-on für ihren Job möchten, mit den Chancen und Risiken der Digitalisierungen optimal umzugehen und Selbstwirksamkeit durch Selbstsicherheit zu erfahren.” Diesen Satz muss ich erst etwas setzen lassen. Carmen grinst und meint: “Ich arbeite jeden Tag daran, Schachtelsätze abzulegen.”

Die Schachteln entwirrt und ausgepackt, kommt Carmens Grunddefinition von Feel Good Management hervor:

 

Es geht um die Schaffung einer wertebasierter Unternehmenskultur.

Grundwerte wie Gesundheit, Selbstachtung, Wertschätzung, Partizipation, Sinnhaftigkeit sollen authentisch gelebt werden, damit sie die Mitarbeiter täglich spüren. Und noch weiter aufgeschlüsselt und in typische Aufgaben übersetzt, bedeutet Feel Good Management nach diesem Verständnis:

 

  • Kultur, Vision, Mission des Unternehmens mit erarbeiten und dafür sorgen, dass diese bei allen MitarbeiterInnen verankert werden.
  • Onboarden neuer MitarbeiterInnen mit spezieller Unterstützung für ausländische MitarbeiterInnen.
  • Schaffen einer vertrauensvollen, gesundheitsfördernden Atmosphäre mit grösstmöglichem Wohlfühlfaktor.
  • Unterstützung in der internen Kommunikation: Bewusstsein für die gelebten Werte schaffen, Positives hervorstreichen, transparent kommunizieren und realistische Erwartungshaltung vermitteln.
  • Konflikte moderieren.
  • Hilfe zur Selbsthilfe, Eigenverantwortung stärken.
  • etc.

 

Die freie Wiese zur Entfaltung dieser Werte und Aufgaben gebe es natürlich nicht immer, ergänzt Carmen und kommt damit auf die Grenzen des Feel Good Managements zu sprechen. Das Budget, die Zeit, Widerstand von Seiten Management oder Mitarbeitenden, fehlende Kompetenzen etc. lassen einen Feel Good Manager auch mal Unwohlsein spüren. Und das führt mich zur Frage:

 

Wäre es insgesamt nicht sinnvoller, dass sich die Chefs in Feel Good Management weiterbilden, anstatt jemanden für diese Aufgabe einzustellen? Und was ist mit der HR-Abteilung?

“Natürlich funktioniert das nur, wenn der Chef auch eine Art Feel Good Manager ist.” Es gebe auch Kurse für Manager. Diese heissen dann “Feel Best Management”. Aber insgesamt bleibe es bei der Sensibilisierung fürs Thema, denn: “Ein Chef hat weder Zeit noch Ressourcen und (leider) teilweise auch nicht die emotionale Kompetenz, um alles abzudecken. Er hat andere Kernaufgaben und das ist auch gut so.”

Auch das Personalwesen stecke in zu festen Strukturen und habe viele andere, vor allem administrative Aufgaben zu erledigen, so dass für ein tiefgreifendes Feel Good Management wenig Platz sei. Zudem habe sie selbst in ihrer Vergangenheit als Angestellte kaum je ein wirklich gutes Vertrauensverhältnis zum HR aufbauen können: “Schliesslich kann alles Gesagte auch immer Konsequenzen bedeuten.” Eine unabhängige Stelle brauche es, wo Mitarbeiter wirklich gehört würden und Vertrauen aufbauen könnten.

Mich kitzelt trotz allem noch immer die Ursprungsfrage und ich hake nach:

 

Ist Feel Good Management letzten Endes nicht einfach doch Symptombekämpfung, wo ein System versagt? Oder anders ausgedrückt: Anstatt Feel Good Manager anzustellen, um im Endeffekt doch wieder nur Mitarbeiterbindung und Effizienzsteigerung zu bewirken – sollte man nicht unser Arbeitsmodell der Zukunft anders gestalten?

“...Das ist es ja genau, was das Feel Good Management im Kern macht. Dann gibt es aber auch unterschiedliche Schwerpunkte, die von Office-Management zu Organisationsentwicklung reichen. Und schliesslich kommt es auch auf die Definition hinter dem Namen Feel Good Management an und darauf, was für das Unternehmen passt.” Aber es sei schon so, dass das Berufsbild noch mehrheitlich bei Startups zu finden sei und erst langsam den Weg zu den etablierten Unternehmen finde. “Schade für die Unternehmen”, meint Carmen, “denn eine solche Stelle zu schaffen lohnt sich auch auf anderen Ebenen: Statt jährlich viel internes Wissen und hohe Summen an Geld wegen Mitarbeiterfluktuation zu verlieren, würde man dieses Geld besser in einen Feel Good Manager investieren.”

 

“In der Schweiz steckt das Feel Good Management noch in den Baby-Windeln.”

So fasst Carmen Fries die hiesige Situation in Worte. Während es in der Schweiz noch an aussagekräftigen Zahlen mangelt, werden bei unseren Nachbarn im Norden welche genannt: Laut dem Deutschen Startup Monitor hatte 2016 jedes zehnte Jungunternehmen in Deutschland eine Art von Feel Good Manager eingestellt. Hier scheint die Windelphase überstanden zu sein.

Ob der Trend von den Startups tatsächlich auch mehr und mehr in die etablierten Unternehmen weiterzieht, wird sich zeigen. Ein Indiz dafür, dass der Job an Relevanz gewinnt, sind die leicht zunehmenden Stellenausschreibungen für Feel Good Manager. Im Jahr 2016 waren es in Deutschland 33 ausgeschriebene Stellen, im 2017 waren es 47. Das Interesse für die Feel Good Management Kurse ist im Gegensatz dazu einiges höher: “Ich verspreche den Kursteilnehmern keinen Job. Aber ich kann versprechen, dass man mit dieser Ausbildung so oder so viel gewinnt. Man wird zum Experten für Mitarbeiterbindung durch Mitarbeiterbegeisterung und wird im eigenen Unternehmen viel besser klarkommen.”

Eine standardisierte Ausbildung gibt es bislang weder in Deutschland noch in der Schweiz. Carmen Fries bietet in ihrem Ausbildungsangebot 12 Module an, die von Persönlichkeitsentwicklung über Kommunikation bis zu Erfolgsmessung reicht.

 

Wer sich für das genaue Curriculum der Ausbildung interessiert oder andere Fragen rund um Feel Good Management hat, der oder die melde sich direkt bei Carmen

 

Über Carmen Fries

  • Geschäftsführerin feelgood@office
  • Trainerin des Zukunftsberufs Certified Digital Feel Good Manager
  • Mitglied von AFNB (Akademie für Neurowissenschaftliches Bildungsmanagement)
  • Social Media & Community Managerin auf Facebook, XING und Meetup.com
  • Autorin im Springer Gabler Verlag “Chefsache Diversity”
  • Autorin bei der Alma Medien AG “Glücklichere Assistentinnen fördern Unternehmensgewinne”
  • Corporate Happiness Expertin®

 

 

 

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